R: Max Claessen B: Ilka Meier K: Christian Rinke V: Andreas Klein D: Cornelius Edlefsen E: Miriam Haltmeier, Emma Suthe, Stefan Willi Wang, Gunnar Blume, Ahmad Jolaak, Michael Schrodt, Michael Jeske, Mirza Jbouri, Shadi Abdulhai
„Bei der Premiere blieb kaum ein Platz frei – das Publikum zeigte sich äußerst interessiert und nach den knappen zwei Stunden einhellig angetan: Langer Applaus, Beifall mit den Füßen.“ Meininger Tageblatt, Peter Lauterbach
„Die gesamte Dramaturgie des Stücks ergibt sich aus diesem Querschnitt durch die Stadtgesellschaft […]. Ihre Schärfe gewinnt sie aus dem Kanten der geschilderten Konflikte. Es geht nicht um ein Spiel, sondern um den Ernst der Lage: Hinschauen hilft!“ (Nachtkritik, Christian Muggenthaler)
„Einer dieser Diskussionsstoffe ist Christoph Heins Roman «Guldenberg», der i mNovember in einer eher düsteren Inszenierung von MaxClaessen zur Uraufführung kam. Schwarze Brocken liegen in einem nackten Zimmer. Ein allegorischer Raum. Immer wieder tragendrei düstere Gesellen in Masken neuenUnrat hinein, der wie Kohleo der Steine daherkommt, und führen dabei die Stammtischgespräche aus Heins Roman. Rechtes Geraune voll alltäglicher Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, der sich hier anonvmisiert aus und in der berühmten Mitte der Gesellschaft anhäuft. Ohne Gegenrede wird das Ressentiment zur Gewalt, die dann überraschenderweise alle überrascht. Auch in Guldenberg fliegt der erste Stein, in diesem Fall in dieKüche des Seglerheims, wo eine Gruppe afghanischer und syrischer unbegleiteter Minderjähriger untergebracht wurde. Dieses Guldenberg ist ein fiktiver Ort im Sächsischen oder Thüringischen im Jahr 2015. EineKleinstadt, die sich wirtschaftlich berappelt hat, aber in der sich trotzdem alle hintergangen fühlen. Der Roman erzählt mit großem Personal in vielen kleinen Szenen die Anatomie einer Situa- tion. Es gibt den gutwilligen Bügermeister, den rechtspopulistischen Baudezernenten, die Leiterin der Unterkunft, den Unternehmer etc. Als eine kleine Gruppe geflüchteter Jugendlicher aus Afghanistan und Syrien in den Ort kommt, kippt die Stimmung. Eineangebliche Vergewaltigung setzt eine Eskalationsspirale in Gang. Der Roman setztauf Beschreibung statt Erklärung, wirkte aber schon zum Erscheinen in 2021 seltsam ausder Zeit gefallen und beinahe naiv, weil er die großen rechtspopulistischen Diskurse zu Gunsten einer reinen Provinzerzählung ausblen- det. Zugleich stellt er die Guldenberger in den Fokus; die Geflüchteten haben, außer zu Beginn, keine eigene Stimme. Allerdings lässt sich dieses Guldenberg problemlos auf kon- kreteostdeutsche Situationen übertragen. Verständlich, dass Behnke die Uraufführung nach Meiningen holen wollte. Regisseur Claessen setzt auf eine Parade der unsympathischen Gestalten, um ja keine Empathie für diese Guldenberger aufkommen zu lassen. Der Bürgermeister (Stefan Willi Wang) ist juvenil und überfordert, der Unternehmer (Michael Jeske) ein zynisches Kerlchen, der Priester (Gun- nar Blume)ein devoterWaschlappen,die Heimleiterin (Mi- riam Haltmeier) eine kommandierende Zicke, der Polizist (Michael Schrodt) ein frustrierter, aggressiver Ignorant und der Baudezernent (wiederSchrodt) gleich v o nAnbeginn ein offener Ras- sist, der sich später zu «Guldenberg First»bekennt. Heins Panorama deSchatten erhält so klareKonturen, und die Stimmung im Ort, so viel wird klar, ist schon am Boden, bevor auch nur der erste Geflüchtete am Horizont erscheint. Das zackige Spiel kann also beginnen. Gegenpol sind die drei Geflüchteten (Ahmad Jolaak, Mirza Jbouri, Shadi Abdulhai), die auf den Steinhaufen sitzen, dem Treiben aufd e r Bühne ungläubig und verständnislos zuschauen oder zumindest beiwohnen. Es ist eine unfreund- liche Welt, in die sie da geworfen werden, und als die Heimleiterin ein pseudo-beruhigendes«Alles wird gut» in ihre Richtung haucht, antwor- tet einerder drei nur klar:«Wird’snicht.» So sieht es aus. Wie der Roman setzt auch die Inszenierung auf schnelle Szenen. Von Beginn an sind die Figuren überreizt, dieSituatio- nen wachsen ihnen über den Kopf: das Bild einer Gesellschaft, der die Mittel zur Konfliktbewältigung fehlen,die komplett ausgelaugt nur noch mit ihrer eigenenzivilen Selbstvernichtung beschäftigt ist. Das positive Gegenbild gibt es erst zum Schluss, wenn die gesamte Crew im Video von Andreas Klein in einem festlichen Gelage, angelegtan das im Roman erwähntemuslimische Festessen, gemeinsam fröhlich feiert und Mensch sein darf. In Guldenberg ist dafür kein Platz mehr, aber in Meiningen umso mehr.“ (Theater Heute)