R: Max Claessen B&K: Ilka Meier V: Andreas Klein D: Barbara Bily E: Sandra Schreiber, Isa Weiß, Andrea Spicher, Jonas Riemer, Daniel Fries, Ilja Harrjes, Louis Nitsche
„Max Claessen inszeniert „Anna Karenina“ in Münster
… der Regisseur holt das vermeintlich nur historische, nur aufs Individuelle fokussierte Drama kongenial in die Gegenwart. Er wählt die Perspektive der Frauen, lenkt den Blick auf ihre Gefühle, ihre Verletzungen, ihre Hoffnungen. … “ (WA)
„Ehebruch und Schnepfenjagd … Doch Regisseur Claessen, der diese Typenparade mit frechem Witz und perfektem Timing serviert, hat weitaus mehr im Sinn. Er nutzt die Theaterfassung von Armin Petras, die durch eingearbeitete Erzählprosa und mit sprachlicher Modernisierung viel Ironiepotenzial hat, zur Fokussierung auf die Titelheldin. …. „Liebe ist kälter als Russland“ steht zunächst auf dem Vorhang. Klingt witzig, stimmt aber: Hier geht es nicht um wohlige Melancholie aus Hollywood-Russland, sondern um ein bewegendes Schicksal.“ (WN)
„Starke Bilder … Facettenreich wie die Titelheldin des Romans von Leo Tolstoi legt Regisseur Max Claessen alle Figuren an. Man kann ihr Verhalten verstehen, zugleich aber sind sie unangenehm bis penetrant aufdringlich. Sehr menschlich also suchen sie alle nach ihrem persönlichen, kleinen Stück Glück – werden enttäuscht oder bescheiden sich mit dem, was ihnen geboten wird. Sie alle wuseln unentwegt auf der Bühne umher. Ilka Meier schafft das passende Ambiente mit einem Hauch Fünfziger-Jahre-Touch, Séparée und beweglichen Elementen, die von dienstbaren Geistern ständig neu kombiniert werden. So ergeben sich scheinbar unendliche Möglichkeiten für Begegnungen, Dialoge oder nur den schnellen Sex im Wäscheschrank. Max Claessen lässt seine Akteure erscheinen wie kleine Rädchen einer großen geschäftigen Maschinerie. Da bleibt kein Platz für große, tragische Helden. Die Bühnenfassung von Armin Petras unterstützt diesen Ansatz, wechselt sie doch bruchlos von erzählenden Passagen in Dialoge und gestattet so schnelle Szenenwechsel. Ein wenig in den Hintergrund treten gesellschaftliche Verhältnisse, Zwänge, in denen man sich bewegt und deren kausales Verhältnis zum Handeln der Figuren. Stetig Suchende werden uns gezeigt, mal sympathisch, mal unausstehlich …. Zwischen diesen beiden Männern steht Anna Karenina. Und Max Claessen findet unheimlich starke Bilder für ihre Stellung in dieser Dreiecksbeziehung: Ganz nah in deren Wesen dringt er vor, wenn Anna im Fieberwahn beide Männer umarmt und sie auffordert sich zu küssen. Von beiden will sie etwas für sich, auf keinen verzichten. Stark der Schluss: Anna kommuniziert mit Wronski mittels einer Videoleinwand, manifestiert das Ende der Beziehung, das Ende ihres Lebens. Sandra Schreiber gelingt es da allein mit ihrer Mimik, uns zu fesseln. Wir hängen förmlich an ihren Lippen und sind überzeugt, dass die arme Frau recht haben muss. Auch wenn das gar nicht stimmen mag. Schreiber besitzt enorme Feinfühligkeit, um intensiv das Fragile, die Zerrissenheit der Anna Karenina herauszuarbeiten. Sie macht ganz klar: Der finale Selbstmord ist die einzig logische Konsequenz. Max Claessen stellt mit Anna Karenina keinen großen Gesellschaftsroman auf die Bühne, sondern die ergreifende, packende Suche von Menschen nach ihrem „Sitz“ im Leben.“ (TheaterPur)
Staunenswerte Vielfalt…Die Aufführung gelang so bezwingend, dass einem das Kleine Haus mitunter als riesige Weltbühne erschien. (…) Zentral wirkt Sandra Schreiber mit hochkonzentrierter Leistung als Liebende, die von Depression und Eifersucht langsam zerstört wird. In der letzten Stunde kann man die staunenswerte Vielfalt ihres Mienenspiels als auf eine Tuchwand projizierte Großaufnahme studieren: Selten nur wagt eine Künstlerin so viel. (Die Glocke)