R: Max Claessen B & K: Mirjam Benkner M: Christoph Coburger L: Steve Demuth E: Marc Baum, Nickel Bösenberg, Nora Koenig, Benjamin Krüger, Rosalie Maes, Nicole Max, Gintare Parulyte, Timo Wagner, Germain Wagner
„In der Black Box der Depression: „Versetzung“ im Kapuzinertheater malt ein dunkles Bild mentaler Erkrankung
Max Claessen inszeniert ein (teilweise) sehr witziges Stück über ein sehr ernstes Thema. … Claessen demontiert … die banale Dichotomie von Norm und Pathologie, von gesund und krank, von Opfer und Täter. So lässt das Stück drei Interpretationsebenen nebeneinander fungieren und langsam miteinander verschmelzen: Die Figuren sind überspitzt, weil die Schule selbst als Projektionsfläche verstörter Individuen, die durch ihre Autorität nur selten ihr Verhalten legitimieren müssen, wahrzunehmen ist; die Figuren sind überspitzt, weil das Theater dies erlaubt und vielleicht auch verlangt; die Figuren sind überspitzt, weil im Weltbild des Manisch-Depressiven alles zum Drama wird. Durch die Lautsprecher zwitschert der alltägliche Krach all dieser Störgeräusche, von denen wir nicht mal mehr merken, dass und wie sie uns belasten – ein aufdringliches Handy, eine schrille Klingel, die den Takt der Unterrichtsstunden schlägt, ein nervöser Beat, der vor allem zu Beginn erklingt. Wo man bei „Tom auf dem Lande“ die unterdrückten Lustmaschinen kopulieren hören konnte, so ist hier die Lust stets bloßes Zitat, ist sie reine Verschiebung – siehe Sarahs obszöne Gesten, die nur Lachen oder Unbehagen auslösen zu vermögen. Rupps Erkrankung führt ihn von der Lust zum „Verlust jeglichen Bezugs zum Leben der restlichen Gesellschaft“(*). So zeigt „Versetzung“, dass psychische Krankheit immer auch ein soziales Produkt ist und wir sie durch die Kategorisierungen der Psychoanalyse nicht nur determinieren, sondern auch lenken. Wenn Bösenberg gen Ende des Stückes auf fast bedrohlich klischeehafte Weise seinen Körper den Verhaltungstypen mentaler Krankheit aufopfert, so tut er dies eigentlich nur, weil es die Gesellschaft von ihm verlangt: „Der Kranke ist der Freak und als solcher zu meiden, denn er ist Symbol des Nichtsinns.“ Aber ist der Nichtsinn nicht vielleicht (so liest sich zumindest Claessens trotz Überlänge sehr intelligente Inszenierung) das, was übrig bleibt, wenn man den Zivilisationslack mal abkratzt?“ (TAGEBLATT Luxemburg)